Mitstörerhaftung der Merchants wird allmählich zur vorherrschenden Rechtsmeinung. Trotzdem sehen Netzwerkbetreiber keine Gefahr für ihr Geschäft.
Im gerichtlichen Wirrwarrr um die Mitstörerhaftung der Händler für ihre Affiliates (Werbepartner) zeichnet sich eine Affiliate-freundliche Tendenz ab. Nach mehreren sich widersprechenden Landgerichtsurteilen fiel jetzt am Oberlandesgericht Köln die zweite zweitinstanzliche Entscheidung. Da das OLG die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zuließ und damit die Chance für ein Grundsatzurteil vertan wurde, deutet alles darauf hin, dass das jüngste Urteil für längere Zeit das maßgebliche sein dürfte. Für Händler könnte dies kaum kalkulierbare Kosten bedeuten.
Die Richter stellten fest, dass ein Affiliate stets als Beauftragter im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zu sehen ist. Damit haftet der Händler (Merchant) für sämtliche rechtwidrigen Handlungen seines Affiliates. Die Mitstörerhaftung werde nicht dadurch unterbrochen, dass der Merchant in den Allgemeinen Geschäftsbedinungen ausdrücklich bestimmt, dass der Affiliate die Markenrechte Dritter einhalten muss. Unerheblich sei auch die Zahl der Affiliates. Das Argument, eine regelmäßige Überprüfung von mehr als 6.000 Affiliates sei nicht möglich und zumutbar, ließen die Richter nicht gelten: „Wer über 6.000 Werbepartner mit der Werbung beauftragt und von dem daraus resultierenden Werbeeffekt profitiert, muss auch umgekehrt die damit verbundenen Risiken tragen“, heißt es in der schriftlichen Urteilsbegründung.
Der Radhändler Raddiscount.de hatte Berufung eingelegt, nachdem er im ersten Verfahren vom Konkurrenten Roseversand.de verklagt worden war. Dieser kündigte nach der OLG-Entscheidung an, im Fall erneuter Verstöße weitere Klagen folgen zu lassen.
Nach Ansicht des auf Internetrecht spezialisierten Anwalts Dr. Jens Bücking bedeutet das Urteil eine „Garantiehaftung des Advertisers für jeden Alleingang seiner Werbepartner“. Seinem Kollegen Dr. Martin Bahr zufolge kann der Merchant zwar problemlos Regress beim Affiliate nehmen, allerdings nur dann, wenn dieser greifbar sei und Geld habe. „Regresshaftungen scheitern häufig an fehlender Liquidät“, berichtet der IT-Anwalt Dr. Hans M. Wulf
Die Affiliate-Marketing-Netzwerke sehen die Situation trotzdem gelassen. Der Grund: Sie fühlen sich durch rechtliche und technologische Maßnahmen gegen mögliche Risiken abgesichert. Commission Junction hat beispielsweise ein Instrument entwickelt, mit dem die Merchants die Aktivitäten ihrer Affiliates dauerhaft kontrollieren können. Auch die Berliner Zanox AG hat auf ihrer Plattform „eine Reihe von Maßnahmen implementiert, die die Beziehungen zwischen Programmbetreibern und werbetreibenden Vertriebspartnern umfassend abbilden“, teilte CFO Heike Rauch mit.
Ebenso vertraut der Mitbewerber Affilinet auf seine „speziellen vertraglichen Gestaltungen und die angepassten Geschäftsbedingungen“, die Schadensersatzansprüche des Merchants ermöglichten. Sollte der betreffende Affiliate zahlungsunfähig oder nicht zu ermitteln sein, übernehme Affilinet die Kosten. Zudem weist Geschäftsführer Marc Stilke darauf hin, dass es vor Gericht bisher nur Unterlassungsklagen und keine Schadensersatzforderungen gegeben habe. Überhaupt seien Markenrechtsverstöße „nur singuläre Ausnahmen“. Daher gehe Affilinet davon aus, dass das jüngste Urteil keine Auswirkungen auf das operative Geschäft erfahrener Anbieter von Affiliate-Netzwerken habe. Den Merchants rät Stilke, die Affiliates regelmäßig und mindestens stichprobenartig zu überprüfen.
Roland Fesenmayr, Geschäftsführer des Software-Herstellers Oxid E-Sales und Vorsitzender der Fachgruppe E-Commerce im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW), rät den Werbetreibenden, sich vor Affiliate-Aktionen so weit wie möglich rückzuversichern. Da es unmöglich sei, jeden einzelnen Affiliate zu überprüfen, sollte zumindest das Netzwerk gecheckt werden. Orientierung biete eine Vergleichstabelle der im BVDW organisierten Netzwerke. Alternativ könne sich der Merchant gegen Haftungsschäden versichern.